Weniger Ego - mehr Buddha

Die 4 Gifte, die der Buddhismus identifiziert, sind (lt. Melvin McLeod):

In seiner Radikalität sagt der Buddhismus, dass genau das Gegenteil hilft:

Das Leben ist schwer genug. Wie können wir da
nicht freundlich zueinander (und zu uns selbst) sein?

Die 10 Paramitas sind in der buddhistischen Lehre die Tugenden oder "Vollkommenheiten", deren Übung uns ans andere (para) Ufer (mita) führen, also zur Weisheit ("Erwachen"). Sylvia Boorstein hat diese 10 Paramitas - wunderbar, wie ich finde - wie ein Periodensystem der Elemente aufgeschrieben bzw. beschrieben. Das Schöne: es ist ganz gleich, wo man beginnt. Und indem man eine Paramita übt und stärkt, entwickeln sich automatisch auch alle anderen mit. In jeder der "Vollkommenheiten" stecken auch alle anderen, wie in einem Hologramm, schreibt sie...

Ihre Beschreibung referiert dabei auf die vier sogenannten "edlen Wahrheiten" der buddhistischen Lehre:

  1. Das Leben ist eine Herausforderung. Für jeden. Unser physischer Körper, unsere Beziehungen, all unsere Lebensumstände sind zerbrechlich und Veränderungen unterworfen. Wir müssen uns ständig anpassen.
  2. Leiden entsteht durch den inneren Widerstand gegen die Herausforderung und Anpassung.
  3. Die Aufhebung des Leidens, ein widerstandsloser, friedvoller Geist, liegt im Bereich des Möglichen.
  4. Der Weg zur Aufhebung des Leidens ist der Achtfache Pfad.
Übung der Paramita ...führt zur Gewohnheit von ...indem ("wie") ...gründet auf der Einsicht / Erkenntnis / Erfahrung ("warum") ...manifestiert sich als
Gebefreudigkeit Teilenkönnen die Erfahrung der Freude, keine Not zu leiden, das Wohlgefühl eines friedvollen Geistes, die Möglichkeit der Aufhebung des Leidens (3. edle Wahrheit) die Erkenntnis, dass das Leben eine unerbittliche Herausforderung ist (1. edle Wahrheit) und dass die Abwesenheit egozentrierter Geistesaktivitäten Erleichterung bringt Zufriedenheit
Sittlichkeit innerer Ruhe Erlebnis der Freude beim Üben der rechten Rede, des rechten Handelns und Lebenserwerb, der entsprechenden Glieder des Achtfachen Pfades (4. edle Wahrheit) die Erfahrung schmerzlicher Reue; die Freude, Wiedergutmachung zu leisten Tugendhaftigkeit
Entsagung Zurückhaltung die Erkenntnis, dass durch unersättliche Gier Leiden entsteht (2. edle Wahrheit) die Feststellung, dass alles vergeht, selbst unangenehme Begierden (Einsicht in die Vergänglichkeit) Mäßigung
Weisheit Unterscheidung die Einsicht, dass der Geist zwar unablässig und unausweichlich von Begierden geplagt wird, dass aber die Möglichkeit besteht, Frieden zu finden (1.,2. und 3. edle Wahrheit) Übung der rechten Anstrengung, Sammlung und Achtsamkeit, der Geistesschulungsglieder des Achtfachen Pfades (4. edle Wahrheit) Klarheit
Energie Strebsamkeit die Erkenntnis, dass keine andere Zeit existiert als das Jetzt, Einsicht in die wechselseitige Verbundenheit aller Lebewesen und Dinge Konzentration auf die gewaltigen Aufgabe der Aufhebung des Leidens und Sich-Erinnern, dass Frieden möglich ist (1. und 3. edle Wahrheit) Unermüdlichkeit
Geduld Demut die Erkenntnis, dass alles der Veränderung unterworfen ist und dass es nicht anders sein kann (Einsicht in Vergänglichkeit und Karma) die Kultivierung von Seelenruhe durch Übung der rechten Sammlung, des Aspektes geistiger Stetigkeit auf dem Achtfachen Pfad (4. edle Wahrheit) Toleranz
Wahrhaftigkeit Offenheit die Erkenntnis dessen, was wahr ist, und das ehrliche, hilfreiche Sprechen die Erfahrung unerfreulicher Isolation durch Lüge (Trennung vom Selbst und von anderen) und der inneren Ruhe (des Friedens) durch Offenheit (3. edle Wahrheit) Vertrautheit
Entschlossenheit Ausdauer klare Einsicht in die Entstehung des Leidens und der folgende Entschluss, die Gewohnheiten des Geistes zu ändern (durch Übung des Achtfachen Pfades) die aus der unmittelbaren Erfahrung erwachsende Gewissheit, dass ein friedvoller Geist möglich ist (3. edle Wahrheit) und die Festigung der spirituellen Überzeugung durch wiederholte Erfahrung Durchhaltekraft
Herzensgüte Wohlwollen Hervorhebung der positiven Eigenschaften anderer und Kultivierung des Vergebenkönnens Sich-Erinnern, dass Leiden universal ist und folglich jeder von dem Verlangen motiviert ist, glücklich zu sein (1. edle Wahrheit) Güte
Gleichmut Annehmen können die freudige Erfahrung der Unvoreingenommenheit bei Beherzigung der ganzen Wahrheit jedes Augenblicks (durch Übung der rechten Achtsamkeit, des Gleichmut schaffenden Aspekts der 4. edlen Wahrheit) die Wahrnehmung und Anerkennung, dass dieser Kosmos Gesetzen unterliegt und in seiner Zuverlässigkeit gerecht und tröstlich ist; Einsicht in Karma und Kausalität sowie in wechselseitige Verbundenheit aller Lebewesen und Dinge Mitgefühl


Literaturhinweise & Quellen

Sylvia Boorstein: Achtsam leben: Der buddhistische Weg zu Güte und Mitgefühl.
Goldmann, München, 2003
In diesem großartigen Buch "erzählt" Boorstein (*1936 Brooklyn) - Psychotherapeutin und Achtsamkeitstrainerin - ebenso kurzweilig, anschaulich wie eindringlich von den Grundzügen der buddhistischen Lehre, indem sie die 10 Paramitas (Vollkommenheiten oder "Qualitäten des Herzens") anhand von Geschichten aus ihrem Leben illustriert. Hie und da streut sie einfache Übungen ("Meditationen") ein, die einladen, es selbst auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln. [Buchbesprechung]
Mehr: [Interview mit Sylvia Boorstein]
Sylvia Boorstein: Buddha oder Die Lust am Alltäglichen.
Verlag O. W. Barth, 1996
In diesem Band widmet sich Boorstein - anhand eigener Erlebnisse - den vier edlen Wahrheiten und dem achtfachen Pfad des Buddhismus.
Thich Nhat Hanh:
Wie Siddhartha zum Buddha wurde.
Herder Verlag, 2018 [Hörbuch / Audio-CD]. ISBN: 978-3-451-35228-7
Thich Nhat Hanh erzählt das Leben des Siddharta Gautama, des historischen Buddha, als eines Suchenden nach. Die Suche nach Antworten auf existenzielle Fragen und Probleme, die auch unsere Fragen und Probleme sind, gerät zu einer lebendigen und eindringlichen Einführung in die buddhistische Geisteswelt. Wunderbar gesprochen von Doris Dörrie. Thich Nhat Hanh (*1926 Vietnam) ist neben dem Dalai Lama der bedeutendste spirituelle Weisheitslehrer des Buddhismus. Er ist Zen-Meister, Dichter und international engagierter Friedensaktivist.
Dzongsar Jamyang Khyentse:
Weshalb Sie (k)ein Buddhist sind.
Windpferd Verlag,
6. Auflage, 2015.
[Taschenbuch, 168 Seiten]
Der Buddhismus wird häufig mit Wiedergeburt, Räucherstäbchen und geschorenen Glatzköpfen, die einem Prinz aus Indien nacheifern, verbunden. Der bhutanisch-tibetischer buddhistischer Lehrer (Lama) Dzongsar Jamyang Khyentse schält in diesem Band den Kern dessen, was den Buddhismus ausmacht, heraus und unterscheidet dieses 'Verständnis von der Welt' klar von kulturell geprägten Überformungen des Buddhismus, die ihn manchmal wie eine Religion erscheinen lassen. In wunderbar verständlicher Sprache - frei von Pathos und Esoterikfloskeln - erklärt er die 4 Grundprinzipien (Siegel) des Buddhismus anhand von Beispielen aus unserem Alltag. Der Buchtitel ist leider recht missverständlich. [Übersetzung der amerikanischen Originalausgabe von 2007]
Melvin McLeod: Buddha liegt direkt auf deiner Handfläche.
In: Sylvia Boorstein / Norman Fischer / Tsoknyi Rinpoche: Weisheit für schwierige Zeiten. Herder Verlag, 2013
Sylvia Boorstein's Dharma Talks
(auf DharmaSeed.org)
»These dharma gifts include paying attention, practicing clarity and kindness and addressing the suffering of the world--which, of course, includes ourselves.«
Byung-Chul Han: Philosophie des
Zen-Buddhismus
.
Reclam, 2002
[136 S.]
Der eher theorie- und diskursfeindliche Zen-Buddhismus, dessen Praxis auf Seins- oder Bewußtseinserfahrungen hinarbeitet, wird begrifflich entfaltet, indem er mit abendländischen Denkmustern kontrastiert wird: im Vergleich mit philosophischen Positionen von Platon, Leibniz, Fichte, Hegel, Schopenhauer, Nietzsche, Heidegger u. a. werden Tiefe und Kraft des Zen-Buddhismus deutlich. Die Gedanken werden illustriert durch Haikus (die sich mir sonst niemals erschlossen hätten). Auf beeindruckende Weise wird man sich der spezifischen kulturellen "abendländischen" Formung - wie sie prägt und einschränkt - bewusst.
Thich Nhat Hanh
- im Gespräch mit Oprah Winfrey
Es ist ein großes Glück, dass von Thich Nhat Hanh so viele Gespräche und Meditationen aufgezeichnet wurden. Im Gespräch mit Oprah Winfrey spricht Thich Nhat Hanh darüber, wie er Mönch wurde, über seine Begegnung mit Martin Luther King, über die Kraft der Achtsamkeit, über Einsicht, Konzentration und Mitgefühl und darüber, wie man Beziehungen transformieren kann.






Dr. Emden-Weinert created: 2017/09/16, last changed: 2022/03/01